Deutsche Schülerakademie 2022 in Clemenswerth
Valentino Bizuga (MSS 13) auf der Deep Space Agency — 17.10.2022
„Du opferst zweieinhalb Wochen Deiner letzten Sommerferien, um in die Schule zu gehen?“, war die
wohl häufigste Reaktion auf meinen anstehenden Besuch der Schülerakademie am Schloss
Clemenswerth bei Sögel. Zweieinhalb Wochen mit verklemmten Strebern, Dauerbeschallung im
Frontalunterricht und durchgängiges Arbeiten. Bereits zu Beginn dieser Ferienschulzeit haben wir
unter Anderem die Aufgabe bekommen, ein kurzes Video zur „Ankunft im Nerdcamp“ zu drehen.
Gewisse Muster sind erkennbar.
Na gut. Zugegebenermaßen sind hier nur Streber. Genau das ist aber eben das, was die
Schülerakademie ausmacht. Circa siebzig bis achtzig Jugendliche aus ganz Deutschland, die allesamt
etwas Außergewöhnliches verbindet, bekommen die Möglichkeit, neue Freunde zu gewinnen, sich
auszutauschen, oder einfach nur eine schöne Zeit zusammen beim Tischtennis oder Billard zu
verbringen. Letzteres war übrigens auch eine meiner vielen Lieblingsbeschäftigungen in
Clemenswerth.
Das Angebot an Freizeitaktivitäten ist aber viel zu groß, als dass man sich für eine einzige
Lieblingsbeschäftigung entscheiden könnte. Zum Einen gab es, wie bei jeder Schülerakademie,
sogenannte KüAs (Kursübergreifende Aktivitäten), die von den Teilnehmern oder Kursleitern
organisiert und angeboten werden. Der eigenen Gestaltung sind hierbei (nahezu) keine Grenzen
gesetzt. Von einem Niederländisch-Kurs, über Debatten und Start-Ups, bis hin zum Sternegucken mit
einem Teleskop ist für jeden Geschmack eine Menge geboten, sodass man sich oft gar nicht
entscheiden kann, was interessanter ist. Persönlich hat es mir aber am meisten Freude bereitet, selbst einen Kurs über karnevalistischen Tanzsport anzubieten und andere Teilnehmer von meinem Hobby zu begeistern.
Zum Anderen wurde das Rahmenprogramm zusätzlich zu diesen Kursen von den Akademie- und
Kursleitern gestellt. So wurde beispielweise mit einem Casino-Abend, einem Quidditch-Turnier, zwei
Konzerten und einem Bunten Abend am letzten Tag, an dem sich jeder einbringen konnte, für
Abwechslung und ständige Unterhaltung gesorgt. Daneben stand ein ganzer Tag für eine Exkursion zur Verfügung, an dem man zwischen einer Kanutour, Klettern und Wandern wählen konnte.
Natürlich kann die Schülerakademie aber nicht ausschließlich Freizeitaktivitäten und Exkursionen
anbieten. Die restliche Zeit (jeweils ca. zwei bis drei Stunden morgens und nachtmittags) war für die
Kurse reserviert, die sich jeder Teilnehmer vor der Akademie ausgesucht hat. Das Kursangebot war
dabei genauso vielseitig wie die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Von Mathe und Physik zu Jura,
bis hin zu „Körper in Bewegung“ und „Erlebnisraum Karte“ findet sich für jeden ein passender Kurs aus den fünf angebotenen. Persönlich habe ich mich für den Kurs „2.2 Komplexe Systeme einfach gemacht“ entschieden – den Physikkurs.
Allgemein beschreiben Komplexe Systeme Vorgänge, deren Anfangsbedingungen keine genauen
Rückschlüsse auf den Endzustand des zu beschreibenden Systems zulassen. Da ein solches System aus einer Vielzahl an elementaren Bestandteilen aufgebaut ist, die zusammengesetzt mehr als ihre reine Summe ergeben, sind genaue Berechnungen des Endzustandes quasi unmöglich. Um trotzdem
Vorhersagen zu treffen, werden Methoden aus der statistischen Physik angewandt und die
entsprechenden Probleme am Computer simuliert. So können Komplexe Systeme Problemstellungen
in einem breiten Anwendungsgebiet beschreiben, darunter in der Wirtschaft, den Naturwissenschaften sowie in den Sozial- und Gesellschaftswissenschaften.
In der ersten Woche haben wir jeweils Einführungen in diese Teilgebiete erhalten, um dann in der
zweiten Woche eigenständig Simulationen am Computer zu programmieren. Besonders
hervorzuheben ist in den Kursen der Rotationstag, an dem alle Kurse sich ihre Themen und
Ausarbeitungen gegenseitig vorgestellt haben.
Den Abschluss der Akademie bildete der oben angesprochene Bunte Abend, an dem auch meine – und darauf bin ich stolz – zusammengewürfelte, aus kompletten Neulingen bestehende Gardetanzgruppe auftrat und durchweg positive Resonanz erhielt. Apropos Resonanz - Unser Akademieleiter, Hartmut Rosa, in seinem Leben außerhalb der DSA Soziologe, behandelt in seinem bekanntesten Buch „Resonanz“ die seiner Meinung nach stetige Entfremdung der Gesellschaft untereinander.
Resonanzerfahrungen seien jedoch genau das, was uns der Welt wieder näher bringt. Und
Resonanzerfahrungen sind auch genau das, was es auf Schülerakademie reichlich gab. Die
wechselseitige Interaktion mit Personen, die allesamt offen, freundlich, progressiv und auf ihre jeweils eigene Art außergewöhnlich sind schafft eine unbeschreibliche Dynamik, die noch nach der Akademie anhält.
Schlussendlich kann ich euch versichern, dass meine Freunde Unrecht hatten. Diese zweieinhalb
Wochen waren keine Zeitverschwendung und nein, sie stellen auch kein tragisches Opfer meiner
kostbaren Sommerferien dar. Im Gegenteil. Die Zeit in Clemenswerth war mit eine der besten Zeiten
in meinem Leben. Jeder, der offen ist, bereit ist, neue Menschen kennen zu lernen und neue
Erfahrungen zu machen, und die Kommentare seiner etwas weniger nerdigen Freunde aushalten kann, sollte eine Schülerakademie besuchen.