Der 26. März 2019: ein schwarzer Tag für die Netzfreiheit?
Das umstrittene Urheberrechtsgesetz — 27.03.2019
von Daniel Seger, MSS 11
Es ist das Erdbeben des Internets während der vergangen Tage, Wochen und Monate und hat nun einen ersten finalen Höhepunkt erreicht. Die Urheberrechtsreform der Europäischen Union ist beschlossene Sache. Was hat es damit auf sich und was ist nun so Wichtiges passiert?
Am 26. März 2019 ist genau das Gegenteil des Beschlusses des europäischen Gerichtshofes von 2012 beschlossen worden. Wie kam es dazu? Zwischen 2013 und 2016 führte die EU-Kommission eine Analyse des geltenden Urheberrechts durch. Darüber hinaus gab die Europäische Kommission mehrere Studien in Auftrag, um die Problematik des gültigen Urheberrechts zu beleuchten. Hierbei wurde insbesondere die Vergütung von Urhebern untersucht. Am 20. Juni 2018 stimmte der Justizausschuss des EU-Parlaments den Kompromissanträgen zum Entwurf vom zuständigen Berichterstatter Axel Voss (CDU) zu.
Artikel 13 (jetzt Artikel 17) des Entwurfes sieht vor, Online-Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten dazu zu verpflichten, durch „angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen“ die Verbreitung nicht-lizenzierter Werke zu verhindern. Einfach ausgedrückt bedeutet das, dass Plattformen wie YouTube, Instagram, Facebook oder Twitter nun z.B. Algorithmen anwenden sollen, um zu erkennen, ob die in einem Beitrag verwendet Musik oder das in einem Beitrag verwendete Bildmaterial urheberrechtlich geschützt ist. Die nicht konformen Inhalte würden dann entfernt werden (Upload-Filter).
Artikel 11 (jetzt, nach der neuen Fassung, Artikel 15) soll zum Zweck des Schutzes von Presseveröffentlichungen im Hinblick auf digitale Nutzungen dienen. Ein Beispiel hierfür wäre der Google News Feed, welcher nach diesem Artikel nicht mehr urheberrechtlich konform wäre. (Leistungsschutzrecht) Am 5. Juli 2018 stimmte das EU-Parlament als Ganzes nach öffentlichen Protesten zunächst gegen die Reform. In zweiter Sitzung am 12. September 2018 stimmte das Parlament jedoch nach einigen Änderungen im Gesetzestext für die Reform. Hierdurch ging man über in den Trilog, also ein Dreiertreffen der Vertreter der EU-Kommission, dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament. Als man sich hier einigte, legte man einen Termin zur Abstimmung über die Reform fest: der 26. März 2019. Und genau seit diesem Tag ist die Urheberrechtsreform beschlossen, denn es hat die Mehrheit der Reform ohne Änderungen zugestimmt und den Weg für eine baldige Umsetzung freigemacht.
Kritiker sehen in der Urheberrechtsreform die Gefahr, die Meinungs- und Kunstfreiheit einzuschränken und sprechen teilweise sogar vom Hauch einer Zensur. Außerdem seien Algorithmen zwar effizienter als menschlich ausgeführte Filter, aber trotzdem noch sehr fehleranfällig. Dadurch laufe man Gefahr mehr Beiträge und Inhalte zu entfernen als eigentlich nötig wäre. Millionen von Menschen protestierten in Deutschland gegen die Reform, da gerade die junge Generation sich im Stich gelassen fühlt.
Befürworter sehen in der Reform die einzige Chance, dass die Kunst keine brotlose Kunst mehr sein wird. Große Unternehmen, die ihr Geld im Internet machen, sollen zur Verantwortung gezogen werden und dafür sorgen, dass ihre Plattformen den Rechteinhabern keinen (finanziellen) Schaden zufügen. Das aktuelle Urheberrecht stammt aus dem Jahr 2001, einer Zeit, in der die großen Internetkonzerne noch nicht so existiert haben wie heute. Aus diesem Grund sei es verwerflich Rechteinhaber darunter leiden zu lassen, dass ein veraltetes Recht diesen Menschen (finanziell) schadet.
Axel Voss ist der Mann, der die geplante europäische Urheberrechtsreform verhandelt hat, inklusive der Artikel 11 und 13. Er ist Mitglied der CDU und Abgeordneter im Europäischen Parlament. Seit Juni 2017 ist er Berichterstatter für die Reform – das bedeutet, dass er die Verhandlungen darüber geführt hat. Seitdem ist er zum Feindbild für deren Gegner geworden, die "Wirtschaftswoche" betitelte ihn mal als "meistgehassten Mann des Internets". Doch Voss verteidigt seine Reform vehement.
„Internetanbieter müssen sicherstellen, dass Inhalte, die von Nutzern auf ihren Plattformen hochgeladen werden, im Einklang mit dem Urheberrecht stehen. Falls die Zustimmung der Rechteinhaber fehlt, müssen die Anbieter die Bereitstellung der fraglichen Inhalte auf ihren Plattformen verhindern. Maßnahmen zur Erkennung des Urheberrechts sind effektive Content-Erkennungstechnologien, die angemessen eingesetzt werden sollen.“
(Zitat, Artikel 13, EU-Gesetzgebung)
Wir leben im Zeitalter des schier unendlichen Zugriffs auf Wissen. Wir leben aber auch parallel in einer Welt, die von Machtstrukturen, Einschränkungen und Kontrollen geprägt ist, der realen Welt. Das Internet bietet uns einen Platz der Freiheit, der Meinungsäußerung und des Austauschs und strotzt der Machtwelt entgegen wie eine Mutter, dass sein Kind beschützen will. Ich möchte nicht, dass auch noch das Internet von Machtstrukturen eingenommen wird, obwohl sie dort nichts zu suchen haben. Ist es erst einmal geschehen, dass unsere Uploads gefiltert werden und gesperrt werden, dann ist der einfache, kleine Mann angreifbarer für Manipulationen und es gibt keinen schnellen Weg zurück. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass wir uns zurückentwickeln und einer Zukunft mit Frustration und Wut entgegenblicken, wenn wir nichts tun. Jemand der nicht einmal ansatzweise im diesem Zeitalter aufgewachsen ist (Axel Voss) und sich mit der Funktionsweise der einzelnen Plattformen nicht auskennt ist meiner Meinung nicht befähigt der leitende Berichterstatter einer solch wichtigen Untersuchung zu sein und kann keine in allen Aspekten qualifizierte Meinung von sich geben.