Vorbilder: Susanna Eremenko und Amelie Paul erhalten Sozialpreis
Freundinnen fürs Leben - Würdigung für soziales Engagement in der Rheinpfalz — 12.05.2023
Susanna Eremenko, Amelie Paul und die Schulleiterin Andrea Meiswinkel bei der Preisverleihung während der Abiturfeier
Wenn man etwas einfach aus dem Herzen heraus tut, dann kommt eine öffentliche Würdigung dafür häufig umso überraschender. Das haben Amelie Paul (19) und Susanna Eremenko (20) aus Landstuhl erlebt. Ihre Freundschaft hat ihnen einen Preis beschert.
Wie Schwestern sitzen Amelie Paul und Susanna Eremenko nebeneinander und können es immer noch nicht glauben. Am 24. März wurden sie bei der Abiturfeier des Sickingen-Gymnasiums in der Stadthalle Landstuhl mit dem Sozialpreis des Arbeiterkolonie-Vereins Schernau ausgezeichnet. Dieser Preis wird für besonderes soziales Engagement vergeben. Angefangen hat alles in der Grundschule, denn seitdem sind die Mädchen befreundet. Im Gymnasium stets in derselben Klasse, saßen sie fast immer nebeneinander. Und das war für Susanna wichtig. Von Geburt an leidet sie an Uveitis, einer Entzündung des Augeninneren, eine mögliche Begleiterscheinung ihrer rheumatischen Erkrankung. Zahlreiche Augenoperationen musste sie schon über sich ergehen lassen. Im Laufe der Zeit hat sich ihr Augenlicht immer mehr verschlechtert, bis sie auf dem rechten Auge erblindete und links ein Sehvermögen von zehn Prozent verblieb. Für Susanna bedeutet dies, dass sie Umrisse und Farben verschwommen wahrnimmt. Lesen kann sie, wenn sie Texte auf ihrem Tablet stark vergrößert darstellt.
Mit bewunderndem Blick
Somit ist sie im Alltag eingeschränkt und auf Unterstützung angewiesen. Ihre Freundin in unmittelbarer Nähe zu wissen, bedeutet ihr viel. „Ich vertraue Amelie voll und ganz, und ihre Freundschaft ist für mich auch eine Art mentale Unterstützung“, sagt Susanna. In der Schule sah man die beiden immer zusammen. Amelie hakte ihre Freundin ein, begleitete sie überall hin und verbrachte die Pausen mit ihr. Zusammen haben sie gelernt und Hausaufgaben gemacht. „Ich habe großen Respekt vor Susanna. Wie sie alles trotz ihrer Einschränkung meistert, ist toll. Und sie ist sehr schlau“, sagt Amelie Paul mit einem bewundernden Blick in Richtung ihrer Freundin.
Keines der bescheidenen Mädchen möchte in den Vordergrund gestellt werden. Ihre Lehrerin Anja Voigt und MSS-Leiter Martin Burkart hatten sie für den Sozialpreis vorgeschlagen. Bei einem Gespräch teilten die Lehrer den Schülerinnen mit, dass sie mit ihrer kleinen, sozialen Gemeinschaft einen großen Einfluss auf Lehrer und Schüler hätten. Sie erfüllten eine Vorbildfunktion für soziales Miteinander. „Das hatte uns den Tag verschönert“, gesteht Amelie.
Erstaunliche Entwicklung
Für das Abitur haben sie besonders intensiv zusammen gelernt. Mehrere Tage hat Susanna bei Amelie zuhause verbracht. Sie haben vor allem Biologie gebüffelt und sich gegenseitig motiviert. Beide haben ein gutes Abitur hingelegt, wobei Susanna sogar etwas besser abschnitt als ihre Freundin. Achim Jung, ihr Lehrer in Ethik und im Philosophie-Leistungskurs, bescheinigt Susanna Eremenko eine erstaunliche intellektuelle Entwicklung und eine Verbesserung der Noten in der Oberstufe. In Philosophie schrieb sie die beste Abiturarbeit. „Ohne die vorbildliche Unterstützung von Amelie Paul wäre dies wohl niemals möglich gewesen“, vermutet der Lehrer.
Amelies Mutter, Michaela Paul, ist sehr stolz auf die beiden. „Bei der Abifeier gab es Standing Ovations und langen Applaus für die Mädels. Das Feedback war so überwältigend“, erinnert sich die Mutter immer noch sichtlich gerührt von der Wertschätzung. Nun starten die jungen Frauen ins Studium und gehen dabei zum ersten Mal getrennte Wege. Amelie Paul möchte in Kaiserslautern Architektur studieren. Susanna Eremenko beginnt im Juli ein duales Studium, um Diplom-Finanzwirtin zu werden. Den praktischen Teil absolviert sie beim Finanzamt in Kaiserslautern. Die Schule wird sie in Edenkoben besuchen. Dort wird man sie mit einer Assistenz und Hilfsmitteln unterstützen. Für die Freundinnen wird das eine ungewohnte Situation. Michaela Paul ist sich jedoch sicher: „Das ist eine Freundschaft fürs Leben.“
von Astrid Kreser, erschienen in der Rheinpfalz vom 4.5.2023